Cas9, der Superstar!
Diese Woche geht es um ein Gen, dem man eigentlich einen ganzen Blog, ganze Bücher, Zeitschriften oder Studiengänge widmen könnten. Dabei kannte dieses Gen bis 2012 so gut wie niemand. Seither allerdings macht es Karriere, wie vermutlich noch nie ein Gen zuvor. Es existiert mittlerweile in nahezu jedem molekularbioloigschen Labor in vielen verschiedenen Varianten. Denn Cas9 steht für „CRISPR associated 9“ und ist das Herzstück einer Technologie, die gerade das Forschungfeld von Grund auf verändert. Naturwissenschaftler haben oft besondere Freude an griffigen Abkürzungen für äußert technische Beschreibungen und so steht CRISPR für Clustered Regularly-Interspaced Short Palindromic Repeats.
Darunter versteht man ein erst vor wenigen Jahren entdecktes System, mittels dem sich Bakterienzellen vor Virusinfektionen schützen. Der CRISPR-Apparat erkennt dabei bestimmte DNA-Sequenzen und zerschneidet sie. Das tolle an dem System: es besteht aus einem einzigen Protein, Cas9, welches allerdings einen Komplex bildet mit einer kurzen RNA. Die Sequenz dieser kurzen RNA ist es, die entscheidet an welcher (komplementären) DNA-Sequenz der Cas9-Komplex andockt und dort beide Stränge der DNA zerschneidet. Indem man Cas9 also mit ganz gezielt ausgewählten RNA-Stückchen mischt, kann man an einer vorher genau ausgewählten Stelle im Genom einen DNA-Doppelstrangbruch herbeiführen. Ein solcher Doppelstrangbruch wird in der Zelle sehr ernst genommen und sie wird versuchen ihn sofort zu reparieren. An dieser Stelle kann man dann eingreifen und kann den zu reparierenden Bereich mit einigen Tricks (die ich im Hintergrundartikel zur Bio- und Gentechnologie beschrieben hab) verändern.
Normalerweise dauert es sehr lange bis eine neue biomedizinische Technologie Einzug in die Klinik hält. Bei CRISPR ist alles anders. Ausschlaggebend ist hier, dass sich das Forschungsfeld relativ einig darüber ist, dass mithilfe von CRISPR die gentechnische Manipulation von Zellen erheblich sicherer geworden ist. Die Gentherapie beispielsweise, die seit Jahrzehnten zwar mit Erfolgen, aber immer auch mit Rückschlägen aufwartet, hat das große Problem, dass sie ungerichtet ist. Bei konventioneller Gentherapie (wie sie beispielsweise auch im Artikel zur ADA-SCID-Gentherapie von letzter Woche beschrieben wurde) wird die „gesunde“ Version eines Gens durch einen Virus in die Patientenzellen eingebracht. Dabei wird das Gen an einer zufälligen Stelle in das Genom integriert. An dieser Stelle kann das Gen aber oft nicht in der richtigen Weise verwendet werden oder – schlimmer noch – eventuell auch ein anderes dort gelegenes Gen kaputt machen.
Mit CRISPR lässt sich nun also genau die Stelle im Genom reparieren, die für die entsprechende Krankheit verantwortlich war. Daher hat nun (genau gesagt am 21.6.2016), nach relativ kurzer Vorlaufzeit, das US-amerikanische National Institute of Health (NIH, Bild) eine klinische Studie bewilligt, bei der die CRISPR-Technologie zur genetischen Veränderung von T-Zellen eingesetzt wird. Bei dieser Studie, werden schwer an Leukämie erkrankten Patienten T-Zellen entnommen und so umprogrammiert, dass sie, nachdem sie dem Patienten zurückgegeben werden, Tumorzellen angreifen und vernichten sollen. Dies wäre eine bahnbrechende kurative Therapie für eine leider so oft tödlich verlaufende Krankheit. Da bei diesem Ansatz nur Körperzellen und nicht Keimzellen (also Ei- oder Samenzellen) verändert werden würden, würden die Veränderungen auch nicht an nachfolgende Generationen vererbt werden. Denn durch die Exaktheit, Vorhersagbarkeit und Effizienz der „Genschere“ Cas9 ist auch die genetische Veränderung der menschlichen Keimbahn in greifbarere Nähe gerückt und intensiv diskutiert worden. Führende Wissenschaftler, Ethiker und politische Vertreter kamen im Rahmen einer Konferenz im Dezember 2015 in Washington DC allerdings überein, dass derartige Ansätze vorerst einmal nicht verfolgt werden.