CTGF: Hoffnung auf Rückenmarksregeneration?

Diese Woche erschien in Science ein wirklich interessanter Artikel, der uns auf CTGF, Connective Tissue Growth Factor, aufmerksam macht. Wie es der Name schon sagt, ist CTGF ein so genannter Wachstumsfaktor: ein Protein, welches Zellen dazu bringt sich zu teilen. Im erwachsenen Organismus sind deratige Wachstumsfaktoren vor allem wichtig für die Regeneration von Geweben. Fibroblasten-Wachstumsfaktoren (FGFs) sind beispielsweise essentiell in der Wundheilung und sorgen dafür, dass unsere Haut wieder zuwächst, wenn wir uns geschnitten haben. Leider ist unser Regenerationsvermögen nicht in allen Geweben so gut ausgebildet. Besonders schlecht verheilen abgerissene Nervenstränge, was uns nach Rückenmarksverletzungen leider oft mit Querschnittslähmungen zurücklässt.

Ein kleines Wirbeltier, das in etlichen Forschungslaborendieser Welt als Modellorganismus eingesetzt wird, hat ein sehr viel höheres Regenerationsvermögen als wir. Das Rückenmark des Zebrafisches, Danio rerio, wächst nach einer Durchtrennung erstaunlich gut wieder zusammen. Viele Forscher, die in dem umfangreichen Forschungsfeld der Rückenmarksregeneration arbeiten, untersuchen daher schon seit geraumer Zeit diesen kleinen Süßwasserfisch um von ihm zu lernen, wie man so ein Rückenmark nach einer Verletzung wieder verheilen lässt.

Dank an Ed Hendel. Lizenz: CC BY-SA 4.0.

Wer mich kennt weiß, dass ich in meiner Forschung auch den Zebrafisch als Modelltier verwende. Ich kann es mir hier also nicht ganz verkeifen, noch ein kleines bis mittleres Loblied auf ihn zu singen. Ein motiviertes Zebrafischpäärchen legt bzw. befruchtet an einem Vormittag gerne mal etwa 500 Eier. Diese Eier sind im Vergleich zu Säugetiereizellen (zB den menschlichen) riesengroß; das sind Kügelchen, so groß wie etwa bei handelsüblichem Kaviar(ersatz). Mit einer dünnen Nadel kann man daher unter einem Mikrokop mit nur mäßiger Vergrößerung sehr leicht etwas in diese Zellen einbringen, beispielsweise fremde DNA. Die Auswirkungen kann man nun in den folgenden Tagen unter dem Mikroskop beobachten, denn innerhalb nur eines Tages hat sich die Form einer kleinen, aber eindeutig als Fischchen erkennbaren Larve ausgebildet (siehe Grafik rechts), in der nach nur wenigen Tagen auch alle wesentlichen Organsysteme ausgebildet sind. Und da sich die Larven ja außerhalb der Mutter entwickeln, kann man dabei zusehen, ohne das Muttertier zu verletzen. Zu allem Überfluss sind die Larven in diesen ersten Tagen ihrer so raschen Entwicklung weitestgehend transparent, wodurch man einem sich entwickelnden Herzen oder anderem inneren Organ direkt zusehen kann.

Die Genetik des Zebrafisches ist der unseren sehr ähnlich; tendenziell hat der Zebrafisch eher ein paar mehr Gene als der Mensch, da sich viele Gene in der Evolution der Knochenfische mal verdoppelt haben. Die Autoren der aktuellen Studie haben sich nun gefragt welche dieser Gene im Zebrafisch nach einer Verletzung des Rückenmarks aktiviert bzw. hochreguliert werden. Dazu haben sie gezielt das Rückenmark von Fischen verletzt um dann die RNA im umliegenden Gewebe dieser Fische mit der dort vorliegenden RNA von Kontrollfischen ohne Verletzung zu vergleichen. Sie waren auf der Suche nach Genprodukten, die nach einer Verletzung den so erstaunlichen Regenerationsprozess einleiten. Eingeschränkt haben sie sich dabei auf sekretierte Proteine, die also nicht in der Zelle sondern nach draußen in den Extrazellularraum freigesetzt werden (siehe Grafik unten), denn sie wollten ein Genprodukt finden, welches als Signalstoff auf andere Zellen einwirken könnte, um sie zur Teilung anzuregen. Dabei haben sie das eingangs erwähnte CTGF Protein gefunden.

Um nun genau zu untersuchen, welche Zellen es denn sind, die CTGF freisetzen, haben sie eine transgene Zebrafischlinie gemacht, d.h. sie haben in das Genom von Fischen eine Stückchen zusätzliche DNA eingeschleust. Dieses Stückchen DNA beinhaltete den enhancer, also den Schalter, für das CTGF Protein, gefolgt von einem grün fluoreszierenden Protein (GFP). In allen Zellen, wo dieser Schalter eingeschöaten wird, wird nun also nicht nur CTGF, sondern auch das grüne GFP gebaut. Das GFP fanden sie nun in Gliazellen, das sind die ständigen Begleiter der Nervenzellen, und interessanterweise auch die Zellen, die als erstes eine Art „Brücke“ über die Rückenmarksläsion bilden.

Als nächstes fragten sich die Forscher, was passiert, wenn kein CTGF mehr da ist. Dazu machten sie mithilfe der relativ neuen TALEN-Technologie gezielt das CTGF Gen kaputt, sodass kein funktionierendes Protein mehr gebaut wird. Diese Fische zeigten ein nur noch sehr stark eingeschränktes Regenerationsvermögen, was sich auch dadurch bemerkbar machte, dass sie nach einer Läsion nur sehr schwerfällig und eingeschränkt das Schwimmen wiedererlernen konnten. In anderen Fische brachten die Forscher eine zusätzliche Kopie des CTGF Gens ein, sodass erheblich größere Mengen des CTGF Proteins gebildet werden. Das Rückenmark dieser Fische erholte sich außerordentlich schnell und nereits nach kürzester Zeit waren sie in ihrem Schwimmverhalten ununterscheidbar von Fischen, die nie eine Rückenmarksläsion erlitten hatten. Auch wenn man menschliches CTGF Protein in die Läsionsstelle injizierte, verheilten die Nervenfasern erheblicher rascher.

Was den Mechanismus angeht, der hinter der CTGF-abhängigen Regeneration steckt, ist noch vieles unklar. Diese und andere Forschungsarbeiten lassen aber hoffen, dass wir auch die Regeneration des menschlichen Rückenmarks nach einer Verletzung ankurbeln können. Es muss allerdings klar betont werden, dass es sich bei der diese Woche vorgestellten Arbeit um Grundlagenforschung handelt und sich nicht vorhersehen lässt, ob sich aus diesen Ergebnissen jemals brauchbare Therapieansätze entwickeln könnten. Und selbst wenn, würde es aller Erfahrung nach 10 Jahre oder länger dauern. Aber nicht nur die (medikamentöse) Beeinflussung einer Reihe von biologischen Prozessen ist vielversprechend, sondern auch der Einsatz von technischen Apparaturen, die als Vermittler zwischen den beiden Enden eines durchstrennten Rückenmarks dienen könnten. Auch zu einem solchen Ansatz wurden diese Woche vielversprechende Daten publiziert.

Theresa

Theresa

Theresa ist die Person hinter diesem Blog und immer noch die Autorin aller Artikel. Sie hat in molekularer Neuroentwicklungsbiologie promoviert und ist durchaus offen für MitsteiterInnen für dieses Blogprojekt. Wenn ihr also Lust habt mitzuschreiben, meldet euch bei ihr.

Das könnte dich auch interessieren …

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Diese Website verwendet Cookies, um die Benutzerfreundlichkeit zu verbessern. Sie stimmen zu, indem Sie die Website weiter nutzen. Datenschutzerklärung