TMPRSS2 – die Eintrittsstelle des Coronavirus Teil 2

Vielen vielen Dank für das rege Interesse an meinem Artikel von letzter Woche, in dem ich erklärt habe, dass SARS-CoV-2 an das ACE2 Protein auf unseren Zelloberflächen bindet, um dann zusammen mit ACE2 ins Innere unsere Zellen zu gelangen. In letzter Zeit war sehr oft zu lesen, dass Covid-19 nicht nur eine Infektion der Lunge mit sich bringt, sondern vielleicht noch viele andere Gewebe  und dass das einfach daran läge, dass ACE2 noch in vielen anderen Geweben vorhanden ist. Die Idee dahinter: alle Zellen die ACE2 tragen, können von SARS-CoV2 infiziert werden. Nun, heute möchte ich erklären, warum das nur eingeschränkt gilt. Genauer betrachtet bindet nämlich zuerst ein Teil (der S1 Teil) des viralen Spike-Proteins an den ACE2 Rezeptor und dann passiert…

…erstmal nichts weiter! Denn erst wenn nun eine bestimmte Protease, also ein Protein-spaltendes Enzym, das Spike-Protein an einer ganz bestimmten Stelle spaltet und somit den S2 Teil freilegt, geht’s weiter. Denn es ist dieser freiliegende S2 Abschnitt der es dem Virus erlaubt mit der Zellmembran der Wirtszelle zu verschmelzen. Diese Spaltung und damit Aktivierung des Spike-Proteins nennt man auch priming. Damit eine Zelle von SARS-CoV2 infiziert werden kann, braucht es also neben ACE2 auch diese besondere Protease an ihrer Zelloberfläche. Da diese Protease Proteine nur hinter der Aminosäure Serin zu spalten scheint, wurde sie Transmembrane Serine Protease 2, oder kurz TMPRSS2, genannt.

Typ II Pneumozyten haben (leider) sowohl ACE2 als auch TMPRSS2 auf ihren Oberflächen

Um zu sehen, welche Gewebe also prinzipiell von SARS-CoV2 infiziert werden können, müssen wir uns ansehen welche Zelltypen sowohl ACE2 als auch TMPRSS2 auf ihren Oberflächen tragen. Welche Zellen unseres Körpers das sind, wird momentan mit Hochdruck untersucht, und es sieht so aus, als wären das doch einigermaßen viele. Einer der Zelltypen, der sowohl ACE2 als auch TMPRSS2 besitzt, sind die Typ II Pneumozyten in unseren Lungenbläschen. In unseren Lungenbläschen befinden sich zwei wichtige Typen von Zellen: die Typ I Pneumozyten sind direkt am Gasaustausch beteiligt, während die Typ II Pneumozyten eine Substanz ausschütten, die sich Surfactant nennt. Surfactant ist ein Kunstwort, das sich aus Surface Active Agent zusammensetzt, also soviel bedeutet wie „oberflächenaktive Substanz„. Dieses Gemisch aus Fett und Protein verringern die Oberflächenspannung zwischen der Atemluft und unserer mit Flüssigkeit benetzten Lungenbläschenauskleidung. Wenn die Typ II Pneumozyten also durch das Virus geschädigt werden, fehlt diese Substanz und die Atmung wird erschwert. Schlimmer noch: diese befallenen Zellen schütten Botenstoffe aus, die das Immunsystem aktivieren und die dazu führen, dass die kleinen Blutgefäße in unseren Lungenbläschen sich erweitern und durchlässiger werden. Dadurch strömt noch mehr Flüssigkeit in die Lungenbläschen, das Surfactant wird weiter verdünnt und der steigende Druck zerdrückt die Lungenbläschen, die richtiggehend kollabieren. 

TMPRSS2 und männliche Geschlechtshormone

Wie bei fast alle Genprodukte in unserem Körpern, wird die Aktivität des TMPRSS2 Gens und daher die Menge des TMPRSS2 Proteins über Signalmoleküle gesteuert. Im Fall von TMPRSS2 wissen wir, dass es durch Androgene hochreguliert wird. Dies könnte durchaus damit zusammenhängen, dass Männer, die einen sehr viel höheren Androgenspiegel haben als Frauen, etwas stärker von Covid-19 betroffen zu sein scheinen. Vor einigen Tagen wurde eine Studie veröffentlicht, die zeigte das Männer häufiger durch einen schweren Krankheitsverlauf betroffen sind. Allerdings gab es eine Ausnahme: Männer, die im Rahmen einer Prostatakrebsterapie mit Medikamenten behandelt wurde, die ihre Androgenspiegel senken, schienen im signifkanten Maße vor einer schweren Covid-19 Infektion geschützt zu sein. Der Zusammenhang zwischen Androgenen, TMPRSS2 und Covid-19 ist auf jeden Fall spannend genug, dass er bestimmt in den kommenden Monaten weiter untersucht wird.

Direkte Hemmung von TMPRSS2?

Aber könnte man TMPRSS2 nicht auch direkt blockieren um das Virus quasi vor unseren Zellen hängen zu lassen ohne dass es eindringen kann? Doch, das könnte funktionieren, sagen Forscher aus den Teams von Stefan Poehlmann (Göttingen) und dem mittlerweile vielleicht berühmtesten Virologen Deutschlands, Christian Drosten (Berlin). In einem Artikel, der schon vor einigen Wochen bei der äußerst renommierten Zeitschrift Cell erschienen ist, konnten sie zunächst einmal gründlich demonstrieren, dass es wirklich ACE2 und TMPRSS2 braucht, damit SARS-CoV2 Zellen infizieren kann. Das alleine hätte den Artikel schon sehr relevant gemacht, aber die Autoren beschreiben noch ein Experiment, dass Hoffnung aufkommen lässt. Wenn man kultivierte humane Lungenzellen mit Camostat Mesylat, einem spezifischen Inhibitor gegen die Aktivität von TMPRSS2 behandelt, dann ließen sie sich kaum noch mit SARS-CoV2 infizieren.

Erst nach Aktivierung durch TMPRSS2 kann SARS-CoV2 über ACE2 in unsere Zellen eindringen. Bild: Markus Hoffmann, deutsches Primatenzentrum. Originalquelle: https://www.dpz.eu/de/infothek/wissen/coronaviren.html verwendet mit freundlicher Genehmigung! Danke!

Jetzt sollte man zurecht noch mit verhaltener Freude reagieren, denn Substanzen die in Zellkulturen wirksam sind, sind noch lange nicht automatisch vielversprechende Kandidaten für medikamentöse Behandlung. Zunächst muss in zeitaufwändigen Studien herausgefunden werden, wie man die Substanz so verabreichen könnte, dass sie auch tatsächlich an jene Zellen gelangt, auf die sie wirken soll. Außerdem muss sicher gestellt werden, dass sie nicht – oder nur im begrenzten Maße – schädlich für andere Gewebe und Organe ist. Aber im Falle von Camostat Mesylat haben wir Glück, denn diese Substanz hat viele solcher Tests schon durchlaufen und ist in Japan als Medikament zugelassen, wenn auch für eine völlig andere Erkrankung, nämlich für chronische Entzündungen der Bauchspeicheldrüse. Das würde den Weg zu einer Zulassung von Camostat Mesylat auch zur Behandlung von Covid-19 erheblich abkürzen. Eine Studie von 2015 hatte bereits gezeigt, dass Camostat Mesylat Mäuse teilweise vor unbehandelt tödlich verlaufenden Infektionen mit dem ersten SARS-CoV schützen kann. Ein wenig Hoffnung darf man also bergündeterweise auf die momentan laufenden klinischen Studien mit Camostat Mesylat setzen. Aber wie so vieles, hat die Sache leider noch eine kleinen Haken.

Gibt es vielleicht noch andere Proteasen, die können, was TMPRSS2 kann?

Die Spike Proteine sowohl des ersten SARS-CoV, aber auch des zweiten SARS-CoV2 können nicht nur von der Serin-Protease TMPRSS2 aktiviert werden, sondern auch durch bestimmte Cystein-Proteasen, Cathepsine genannt. Das priming durch Cathepsine allerdings eröffnet dem Virus einen anderen Weg in die Zelle, der direkt in ein sogenanntes Endosom führt. Ein Endosom ist in den meisten Fällen ein unwirtlicher Ort. Was sich in einem Endosom befindet wird meistens früher oder später ziemlich effektiv zerstört. Dadurch führt dieser endosomale Weg, den das Virus nach dem Cathepsin-priming einschlägt, nicht zu einer erfolgreichen Virus-Vermehrung. Das wurde schon für SARS-CoV gezeigt und ist vermutlich auf SARS-CoV2 anwendbar. Das neue SARS-CoV2 Virus könnte uns aber vor ein neues Problem stellen, denn in seiner jüngsten Evolution ist etwas aufgetaucht, das das erste SARS-CoV nicht hatte: Bindestellen für eine andere Klasse von Proteasen, Furine. Derartige Angriffspunkte, an denen Furin-ähnliche Proteasen das Spike-Protein spalten können hatten es auch schon dem MERS-Virus ermöglicht in die Zellen gelangen. Das aus unserer Sicht vielleicht schlimmste daran ist, dass einige Furine nicht auf den Zelloberflächen sitzen, sondern freigesetzt werden. Diese löslichen Furine können dann in der Zellnachbarschaft herumschwimmen und dort die Spike-Proteine von SARS-CoV2 aktivieren, die auf Zelloberflächen an ACE2 Proteine festsitzen und vielleicht in Ermangelung von TMPRSS2 auf diesen Zellen, erstmal nicht in diese eindringen hätten können. Inwieweit aber der Furin-unterstützte Eintrittsweg des SARS-CoV2 eine Rolle bei Covid-19 spielt, muss definitiv erst noch genauer untersucht werden.

Theresa

Theresa

Theresa ist die Person hinter diesem Blog und immer noch die Autorin aller Artikel. Sie hat in molekularer Neuroentwicklungsbiologie promoviert und ist durchaus offen für MitsteiterInnen für dieses Blogprojekt. Wenn ihr also Lust habt mitzuschreiben, meldet euch bei ihr.

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